Tenor:
In dem Rechtsstreit (...) hat der 10. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin-Schöneberg (...) für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 616/05 - geändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollstrecken an einem der Vorstandsmitglieder der Komplementärin der Beklagten, es zu unterlassen, gefälschte Nacktfotografien der Klägerin wie auf den Internetseiten (...) zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4. die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt:
(Ohne Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 Satz a ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.)
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig.
Den Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst der Senat auf 5.000 EUR (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Wert des Beschwerdegegenstandes bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung der Auskunft hängt vornehmlich davon ab, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert (BGH NJW 1995, 664).
Ob die Ermittlung und Mitteilung von vier IP-Adressen nebst Namen und Anschriften der Nutzer einen Aufwand an Zeit und Kosten verursacht, welcher die Beschwerdesumme von 600 EUR übersteigt, kann dahinstehen. Denn die Beklagte macht geltend, dass sie bei Erteilung der Auskünfte gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße. Es bestehe die Gefahr, dass ein Bußgeld verhängt werde, § 9 Abs. 1 Nr. 4 TDDSG. Dieses unmittelbar mit der Auskunftserteilung verbundene Interesse der Beklagten ist bei der Bemessung der Beschwerdesumme zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamburg, MMR 2005, 543).
II. Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über Namen und Anschrift der Verantwortlichen sowie der IP-Adressen aus § 242 BGB oder § 101 a UrhG analog gegen die Beklagte nicht zu.
1. Die Klage ist zulässig.
Klageantrag und Tenor des angefochtenen Urteils sind hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klagebegründung macht deutlich, dass die Klägerin Auskunft über Namen und Anschriften der Personen begehrt, die über FTP-Server auf die Webseiten zugegriffen und die beanstandeten Abbildungen ins Internet eingestellt haben. Ersichtlich bezieht sich das Auskunftsbegehren nicht auf die IP-Adresse des Host-Servers der Beklagten, da diese IP-Adresse keine Rückschlüsse auf die in diesem Sinne "Verantwortlichen" zulässt.
Dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils keinen Zeitraum nennt, macht ihn nicht unbestimmt.
2. Der Verfahrensmangel (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO), der darin liegt, dass das Landgericht die Beklagte verurteilt hat, die vorhandenen Namen und Anschriften sowie IP-Adressen der für die Internetseiten Verantwortlichen zu benennen, ist in 2.Instanz geheilt worden.
Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Formulierung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 10. November 2005 gestellten Klageantrags ("bzw") darauf hindeutet, dass die Klägerin den auf Auskunftserteilung über die IP-Adressen gerichteten Antrag nur hilfsweise und nicht gleichrangig gestellt hat. Dafür spricht auch, dass die Änderungen des zunächst in der Klageschrift angekündigten Antrages (Benennung nur von Namen und Anschrift) vor dem Hintergrund der Einwendung der Beklagten erfolgte, keine sichere Kenntnis von Namen und Anschriften zu haben.
Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist indessen geheilt worden, denn die Klägerin verlangt in der Berufungsinstanz Auskunft über Namen/Anschriften und IP-Adressen.
Beantragt der Kläger, dem mehr zugesprochen wurde, als er im 1. Rechtszug beantragt hatte, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, so wird durch die darin liegende Genehmigung der Mangel geheilt, denn im Sichzueigenmachen der gegen § 308 ZPO verstoßenden Entscheidung liegt eine Klageerweiterung (BGHZ 111, 161; Zöllner, ZPO, § 308 RNr. 7). § 533 ZPO steht dem nicht entgegen, da die Klageerweiterung im vorliegenden Fall sachdienlich ist.
3. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, hat das Landgericht eine direkte oder analoge Anwendung des urheberrechtlichen Auskunftsanspruches aus § 101 a Abs. 1, 3 UrhG abgelehnt, weil es sowohl an einer Regelungslücke, als auch an einer Verletzungshandlung der Beklagten fehlt.
Dagegen wendet sich die Klägerin in 2. Instanz nicht.
4. Ein Auskunftsanspruch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§242 BGB) steht der Klägerin nicht zu, da die Vorschriften des TDDSG eine Auskunftserteilung verbieten.
a) Ob die Beklagte Access-Provider der Nutzer ist, welche die Fotos auf den Unterverzeichnissen der (...) www.(...).de abgelegt haben, oder nur als Host-Provider fungiert, kann dahinstehen.
Es kann auch offen bleiben, ob die Beklagte überhaupt über personenbezogene Daten wie im Namen und Anschriften verfügt oder lediglich Kenntnis über zwei Login-IP-Adressen des jeweils letzten Zugriffs auf die Webseiten (...) und (...) hat. Der Senat muss schließlich auch nicht entscheiden, ob die Öffnungsklausel des § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG Auskunftsansprüche erfasst.
Denn der Auskunftserteilung steht jedenfalls die Vorschrift des § 3 Abs. 2 TDDSG entgegen. Danach darf der Diensteanbieter für die Durchführung von Telediensten erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verarbeiten und nutzen, soweit das TDDSG oder eine andere Rechtsvorschrift es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
b) Name und Anschrift der Nutzer gehören zu den Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses über die Nutzung von Telediensten erhoben werden. Es handelt sich daher um Bestandsdaten i.S.v. § 5 Satz 1 TDDSG. Ob es sich - wie das Landgericht angenommen hat - bei den IP-Adressen ebenfalls um Bestandsdaten handelt, kann dahinstehen. Denn eine Auskunft über Name und Anschriften der Nutzer auf Grundlage von der Beklagte bekanntgegebener IP-Adressen könnte die Klägerin nur von den jeweiligen Zugangsanbietern erhalten.
Eine Identifizierung der Nutzer über die IP-Adresse wäre nur möglich, wenn diese Zugangsanbieter der Klägerin Auskunft über Bestandsdaten erteilten.
Ohne diese weitere Information wäre die Kenntnis der IP-Adressen für die Klägerin wertlos. Vor diesem Hintergrund hängt der Anspruch der Klägerin vom Vorliegen eines Erlaubnistatbestands zur Auskunftserteilung über Bestandsdaten ab. Ein solcher Erlaubnistatbestand ist jedoch nicht gegeben.
c) Bei Bestandsdaten ist gemäß § 5 Satz 2 TDDSG nur eine Auskunft an "Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für Zwecke der Strafverfolgung" zulässig. Nach der Gesetzesbegründung regelt die Vorschrift ab schließend die Erlaubnistatbestände, nach denen eine Verarbeitung der Bestandsdaten zulässig ist (Spindler/Schmitz/Geis, TDDSG, § 5 RNr. 1).
Eine Auskunft an einen Dritten über Name und Anschrift des Nutzers ist eine nicht von § 5 Satz 2 TDDSG gedeckte Verarbeitung von Bestandsdaten, da sie nicht gegenüber den dort genannten Stellen erfolgt. Das Bekanntgeben an einen Dritten durch Übermittlung der Daten zählt gem. § 3 Abs. 4 Nr. 3 lit. a BDSG zur Verarbeitung.
Damit fehlt es in Bezug auf Bestandsdaten an einer Befugnisnorm zur Auskunft sowohl eines Hostproviders als auch eines Accessproviders (vgl. Sieber/Höfinger, MMR 2004, 575 zur Auskunft an einen Rechteinhaber zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen).
d) Andere gesetzliche Tatbestände, die es einem Telediensteanbieter gestatten, personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen, sind nicht vorhanden. Die Vorschriften des TDDSG über Nutzungsdaten und Bestandsdaten sind nach allgemeiner Ansicht eine abschließende Sonderregelung gegen über dem BDSG, auf das in ihrem Anwendungsbereich nicht zurückgegriffen werden darf (Schmitz/Laun, MMR 2005, 208, 213; Sieber/Höflinger, MMR 2004, 575; Linke, MMR 2005, 453,: s.a. die amtl. Begr. Zum EGG, BT-Drs. 14/6098, S. 14, 29, wo ausdrücklich ein Rückgriff auf § 28 BDSG für unzulässig erklärt wird).
e) Die Vorschrift des § 242 BGB, aus dem die Klägerin den geltend gemachten Auskunftsanspruch ableitet, ist keine "andere Rechtsvorschrift" i.S. § 3 Abs. 2 TDDSG, die eine Bekanntgabe der Daten an Dritte rechtfertigen könnte.
Eine andere Betrachtungsweise widerspräche der Systematik des TDDSG und der allgemeinen Systematik des Datenschutzrechts. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 TDDSG normiert ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; eine Datenverarbeitung darf danach nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung oder Einwilligung erfolgen.
§ 3 Abs. 2 TDDSG stellt ein enges Zweckverbindungsgebot auf. Gegenüber dem mit "Grundsätze" überschriebenen § 3 TDDSG sind die §§ 5 und 6 TDDSG die spezielleren Normen für jeweils bestimmte Daten, die zur Durchführung von Telediensten erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Die speziellen bereichsspezifischen Regelungen sind abschließend.
Eine hinreichend normklare "andere Rechtsvorschrift" i.S.v. § 3 Abs. 2 TDDSG müsste sich ausdrücklich an den Diensteanbieter richten und die Zweckänderung legitimieren (Sieber/Höfinger, a.a.O.).
Die Generalklausel des § 242 BGB genügt diesen Voraussetzungen nicht.
Der Gesetzgeber hat durch seine speziell für Internetprovider geschaffenen bereichsspezifischen Regelungen zum Ausdruck gebracht, dass er dem Daten- und Geheimnisschutz der Nutzer eines Internetproviders gegenüber kollidierenden Informationsinteressen einen generellen Vorrang einräumt, der für Auskünfte an Dritte nur zu Gunsten der Strafverfolgung durchbrochen wird. In den Regelungen des TDDSG hat der Gesetzgeber die gegenläufigen Interessen abschließend berücksichtigt und die zur Auskunft berechtigten Stellen und die zur Auskunft berechtigenden Zwecke auch ausdrücklich genannt.
f) Das Verfassungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG) gebietet keine andere Auslegung. Die Klägerin muss die Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch Verbreitung gefälschter Nacktbilder nicht schutzlos hinnehmen. Sie kann - wie das Landgericht rechtskräftig entschieden hat - von der Beklagten Unterlassung der Verbreitung der Fotografien verlangen und daneben Strafanzeige erstatten. Dass hierdurch ein effektiver Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht gewährleistet ist, kann der Senat nicht feststellen.
III. Die Nebenentscheidung beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 Satz 1 BGB.
Werbung:
|